Neues vom Bremerhavener Magistrat und dem QPB.

In den letzten Tagen hat ein [sonderbarer] Beschluss des Bremerhavener Magistrats einige Medienresonanz erzeugt. Vermutlich schon im Dezember hatte der Magistrat festgelegt, dass in der Verwaltung von Bremerhaven (=im Magistrat) keine Sonderzeichen in Worten mehr verwendet werden dürften. Es ging ums Ent/Gendern. Anlass war, dass die Regierungskoalition aus SPD, CDU und FDP in der Stadtverordnetenversammlung (=Äquivalent zum Stadtrat in anderen Städten) sich neuerdings weigerte, sich mit Dokumenten zu befassen, in denen zum Beispiel mit …*innen ent/gendert wurde. Darüber hinaus ordnete der Magistrat an, dass die Anrede Herr oder Frau entsprechend der Einschätzung(!) anhand des Vornamens zu verwenden sei.

Die örtliche Presse machte sich über das neuentdeckte Rechtschreib-Faible der SPD lustig, deren Pressemitteilungen offenbar nicht dem im Beschluss erklärten Anspruch an eine „korrekte Rechtschreibung“ genügen. Auch das ist am Thema vorbei und gefällt sich im scharmützel der Nicht-Betroffenen. Der Beschluss war/ist eine typische Form von staatlicher Fremdbestimmung und diskriminiert und entwürdigt durch sich selbstgeschaffene pseudo-sachliche Regelungen trans*, inter* und nicht-binäre/agender Personen in Bremerhaven. Das Winken mit Regenbogenflaggen beim CSD von Parteivertreter*innen und warme Worte zur einen oder anderen Gelegenheit sind wieder einmal Makulatur geworden. Wie es queeren Menschen in Bremerhaven und insgesamt im Land Bremen geht und wie der Landesaktionsplan in unter anderem der Verwaltung umgesetzt wird, dazu informiert sich Bremerhavens Magistrat seit gut zwei Jahren im Queerpolitischen Beirat. Der Aktionsplan ist von 2015.

Mit der erfolgten Rücknahme des Beschlusses nach dem Presse-Echo (Liste unten) fordert die Bremerhaven-Koalition in der SPD-Pressmitteilung plötzlich eine gesetzliche Regelung. Denn die Anfang 2021 vom Bremer Senat (=Landesregierung) herausgegebene Empfehlung zu geschlechtergerechter Sprache sei ihnen nicht verbindlich genug und auch ihr eigener Weg der Beschlussfassung entfällt plötzlich. (Sie könnten ja die Empfehlung mittels Beschluss oder Verwaltungsvorschrift für Bremerhaven verbindlich machen und damit ein Vorbild für das Land Bremen sein…)

Wie viele Aufgaben und Maßnahmen bleiben liegen, während im politischen Raum in Bremen und Bremerhaven die vor allem von rechtskonservativen Akteurin_nen in den letzten Jahren in die Medien gepushte „Rechtschreib-Diktatur“ verhandelt wird? Es steht wirklich Wichtiges an, das das Leben queerer Menschen hier vor Ort betrifft. Sei es in der Gewaltprävention, Alten- und Krankenpflege, in der Jugend- und Familienhilfe, bei der Gesundheitsversorgung, für Regenbogenfamilien und migrantische Queers, im Schulunterricht, bei der Qualifizierung der Lehrkräfte, im Sport, bei der Förderung der soziokulturellen Begegnungsorte, die in der Corona-Pandemie aus dem öffentlichen Bewusstsein gerieten undundund. Die meisten Themen stehen im Landesaktionsplan.

Ist jetzt nach den jahrenlang wiederkehrenden Debatten um die Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden zum IDAHOBIT und-oder zum CSD „Gendern“ das neuste Thema, mit dem parlamentarisches Arbeiten zu queeren Themen in den simuliert wird? Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist keine Raketenwissenschaft, auch wenn es ungeübten Abgeordneten (m/m/w) so vorkommen mag.


Der Queerpolitische Beirat tagt derweil fleißig einmal im Quartal und auch die Zuständigkeit für LSBTI im Ressort Soziales ist inzwischen mit Greta Riemann besetzt. Da war im Juni 2021 noch eine Leerstelle. Der Aufgabenzuschnitt ist nicht ersichtlich, vage klingelt im Gedächtnis, es könnte um die Koordination der Umsetzung des Landesaktionsplans gegangen sein (Koalitionsvertrag 2019). Die Beiratssitzungen zu organisieren und die Protokolle ins Netz zu stellen, füllt jedenfalls noch keine Planstelle aus. Eventuell ist auch die Nachfolge für den in den verdienten Ruhestand gegangenen Verwalter der Fördermittel in dieser Stelle aufgegangen? Es ist den Webseiten nicht zu entnehmen.

Der Queerpolitische Beirat tagt 2022 weiterhin öffentlich und vorbehaltlich der Coronalage und etwaiger Änderungen sind dies die Termine:

  • Freitag, 25. März, 14:00 – 16:30 Uhr Schwerpunkt: Migration
  • Donnerstag, 23. Juni, 16:30 – 19:00 Uhr Schwerpunkt: Kultur
  • Freitag, 16. September, 14:00 – 16:30 Uhr Schwerpunkt: Inneres
  • Donnerstag, 24. November 16:30 – 19:00 Uhr Schwerpunkt: Sport, Familie und Pflege

Das Anmeldeverfahren und ob online oder in Präsenz wird der Tagesordnung, die einige Tage im voraus online ist, zu entnehmen sein.

Aktuell listet das Transparenzportal des Landes Bremen 16 Dokumente zum QPB auf, das sind die Tagesordnungen und Protokolle der Sitzungen, sowie die allgemeinem Dokumente, die auch auf der Webseite des Ressorts gelistet sind. Das Protokoll vom 25.11.2021 steht noch aus.

Laut Beschluss des Bremischen Brügerschaft bei der Einrichtung des Queerpolitischen Beirats Ende 2019 soll der QPB der Bürgerschaft alle zwei Jahre Bericht erstatten. Das ist also in diesem Frühjahr – ausgehend von der Konstituierung im Frühjahr 2020 – theoretisch dran.

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